Badwater 2004: Bangemachen Gilt Nicht

Ein Bericht von Andrea Schuster-Betz

Für des Menschen Aufstieg ist keine Grenze
und jedem ist das Höchste offen,
hier waltet allein deine Wahl.

Als das O.K. für die Teilnahme von Thomas (*) am Badwater-Ultramarathon kam, dachte ich, na ja, bei 48 Stunden Köln hab ich Thomas ja schon betreut, diverse 24 Stunden-Läufe und 200 km von Perpignon nach Barcelona, aber die Berichte, die ich über den Badwater-Ultra gelesen hatte, haben mir schon Angst eingeflösst; diese Hitze, davon hielt ich gar nicht viel, hatte mal in Südfrankreich eine Sonnenallergie! Ich sagte mir, mit ein paar Stunden Höhensonne und Allergietabletten im Gepäck wird`s schon gehen. Vor Jahren waren wir schon mal im Death Valley, aber nicht zum BadwaterUltramarathon. Großes Unbehagen vor Badwater hat sich in mein Gehirn gefressen….

4. Juli: Flug von Frankfurt nach Las Vegas. Wagen mieten und einkaufen von Dingen, die wir für den Lauf benötigen, stehen auf unserer Zu-tun-Liste. Wir fahren Richtung Grand Canyon, wo wir 4 Tage später vom Brigth Angel Point eine 10 Stunden-Tour zum Colorado River und zurück starten. Ein kleines Training vor Badwater.

10.7.: Es geht Richtung Furneece Creek, mit einem Stop in Badwater. War es vielleicht ein Fehler, die Klimaanlage nicht öfter auszuschalten? Ich kann mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen, 2 Tage später einen Begleitung zu einem Ultramarathon zu starten, diese Hitze… Die Stunden unter der Höhensonne waren mangels Zeit ausgefallen, die Organisation einer 350 km Veranstaltung im Juni hatte uns Wochen zuvor keine freie Minute mehr gelassen, die Allergietabletten hatte ich auch vergessen…

Wir machen Rast in Furneece Creek und machen die Erfahrung, dass man hier Auto-Türgriffe besser nicht mit bloßen Händen anfasst, weil man sich dabei leicht verbrennen kann und eisgekühlte Getränke relativ rasch trinken sollte, weil sie sonst innerhalb kurzer Zeit eine „angenehme „ Temperatur von über 30 Grad haben.

11.7.: Nachmittags Einschreibung und Pre-Race-Meeting aller “Wahnsinnigen.“.

Um 16 Uhr über 45 Grad Celcius im Schatten!! Ich habe mir schon einen Fluchtplan überlegt, wie ich aus diesem Hexenkessel flüchten kann, da fiel mir ein, dass außer Thomas nur ich den Führerschein habe, also, Zähne zusammenbeißen.

Letzte Vorbereitungen am Abend, die NamensSchilder müssen am Auto angebracht , Getränke vorbereitet werden usw. Erst nach 23 Uhr heißt es gute Nacht.

12.7. Wecken um 4 Uhr 30. Start ist um 8 Uhr. Sachen zusammenpacken. Von Beatty geht es nun 67 Meilen nach Badwater. Schnell zum Gruppenfoto aufstellen, noch 10 Minuten bis zum Start. Chris Kostman, der Organisator, wirkt beruhigend auf die Teilnehmer ein, nicht an die ganze Strecke zu denken, sondern in kleinen Schritten. Das klingt logisch, diese Erfahrung habe ich auch schon gemacht, hoffentlich hilft sie auch hier den Teilnehmern. In Gedanken wünsche ich allen Teilnehmern ein gutes Gelingen.

10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1 es geht los. Da läuft er nun. Wieviele Stunden werden vor uns liegen? Thomas lässt es langsam angehen, weiß nicht, wie er auf die Hitze reagiert. Ankommen heißt die Devise und ich weiß, dass Thomas das Wort “ Aufgeben “ nicht kennt. In Furneece Creek wechselt er von seine Kleider, lange Hosen und langes T-Shirt sind angesagt, um sich vor der Sonne einigermaßen zu schützen. Bodo, unser Begleiter bietet sich an, uns einen Kaffee zu holen. Bei dieser Hitze kann das wohl nicht schaden…

Welche Strecke haben wir insgesamt zu bewältigen? 215 km oder 130 Meilen? Ich entscheide mich für die kleinere Zahl!

Es funktioniert ganz gut, alle 1 bis 1,5 Meilen machen wir halt, um Thomas zu versorgen. Am Nachmittag zieht er Handschuhe an. Nein, kalt ist ihm nicht, die Sonne brennt nur unberbittlich. Sieht schon komisch aus, bei über 50 Grad Hitze. Alle sind in guter Verfassung.

Zu meiner Überraschung vertrage ich die Hitze sehr gut, habe keinerlei Beschwerden, lege mir während des Fahrens nasse Handtücher auf Schulter und Beine, die Klimaanlage bleibt aus, da wir öfter anhalten und raus in die Hitze müssen. Wir wollen uns erst gar nicht an die Annehmlichkeiten der Kühle im Auto gewöhnen.

Zwischen Furneece Creek und Stovepipe Wells weht teilweise ein starker Wind, der nicht angenehm kühlt, sondern einem heiß ins Gesicht bläßt. 50 Grad C. Unbeschreiblich.

Stop in Stovepipe Wells. Kein Eis mehr zu kaufen. Nicht so schlimm, wir haben noch etwas und Thomas hat sowieso gemeint, die Getränke sollten nicht mehr so kalt sein. Er wechselt wieder seine Kleider, es ist abend, die Sonne hinterm Horizont untergegangen. Ca 1 Stunde Pause. Getränke vorbereiten, das Übliche.

13. 7. Es geht in die Nacht hinein. Thomas verordnet mir irgendwann eine Schlafpause, er geht alleine weiter, hat Trinken und einen Energieriegel dabei.

Leider vergisst unser “ soll ich noch einen Kaffee holen – Mann “ mich zu wecken, ist wohl auch eingeschlafen. Ich schwinge mich hinters Steuerrad und fahre los und fahre und fahre und fahre. Nein, ich kann mich nicht verfahren haben, es geht ja immer gerade aus. Endlich, er ist in Sicht. Über 2 Stunden ist er alleine gelaufen. Er ist noch am Leben. Wir sind am Towness Pass und machen halt. Thomas ist sehr müde, legt sich ins Auto. 5 Minuten, noch mal 5 und noch mal 5 will er Pause machen. Verordne ihm eine halbe Stunde ab Stück, nach 1 _ Stunden geht es bergab Richtung Panamint Springs. Unser “ soll ich noch einen Kaffe holen – Mann “ wird ihn begleiten, das wird ihm gut tun. Es ist inzwischen hell geworden. Manchmal kommt der Medical Service vorbei und fragt, ob alles o.k. sei, das beruhigt. Diese Sicht den Berg hinunter ist einfach überwältigend. Außer Thomas`s Müdigkeit geht es uns allen gut.

In Panamint Springs bestellen wir Frühstück, es ist 8 Uhr. 35 Grad C. Ein Reporter vom ´Fit for Fun´ Magazin macht Bilder von uns, bin nicht sicher, ob man uns darauf wiedererkennen wird, so müde sehen wir aus.

Lange Meilen wird es jetzt bergauf gehen, die Aussicht phantastisch sein, what a wonderful world! Auch hier herrscht ein sehr starker Wind, aber nicht so heiß.

Müsste mal dringend telefonieren! Fahre 10 Meilen nach Keeler, ein verlassenes Nest, eine Geisterstadt, wo man viele Häuser vorfindet, die mit Holzbrettern vernagelt sind. Muss unverrichteter Dinge wieder zurückfahren.

Es wird langsam Nacht. Thomas Müdigkeit kommt immer wieder mal hoch, so wenige Stunden Schlaf in einem Hotel voller “junger Hüpfer“, die die Nacht zum Tag machen, sind vor solch einem Vorhaben wie der Badwaterultra nicht die ideale Vorstellung

In einer kurzen Pause legen wir uns auf die Strasse und betrachten den schönsten Sternenhimmel, den ich je gesehen habe, what a wonderful world.

14.7. In Lone Pine machen wir wieder Frühstück, ich bestelle Pfannkuchen, aber Thomas ißt nur sehr wenig. Keine Blasen an den Füssen, keine sonstigen Beschwerden; wenn nur diese Müdigkeit nicht wäre. Man gratuliert uns. Nanu denke ich, wir sind doch noch gar nicht am Ziel. Aber wer hier ankommt, gibt sowieso nicht auf, der Rest ist nur noch eine “Kleinigkeit“,

Der Berg ruft und wir brechen auf, eine endlos lange Strecke von 18 Kilometern, die einfach nicht enden will.

Unsere Kräfte lassen jetzt wirklich nach, die Kraftreserven können wir anscheinend nicht mehr auffüllen. Kein Hunger, nur noch trinken. Es wird Zeit, dass es zu Ende geht.

Es wird hell, das belebt noch mal den Geist, aber nur für kurze Zeit. Habe keinen Blick mehr für diese herrliche Aussicht, mein Kopf kann nur noch daran denken, ans Ziel zu kommen. Thomas hat auch große Mühe, einen Fuß vor den anderen zu bekommen, was wohl in ihm vorgeht? „ Ich muß mich noch umziehen, so verdreckt, wie ich aussehe, kann ich doch nicht aufs Finisher Foto“, gesagt, getan, soviel Zeit muß sein.

Nach 47 Stunden und 43 Minuten haben wir es geschafft!!! Und auf dem Foto sehen wir gar nicht so müde aus, wie wir uns fühlen. Nur noch ein Gedanke hält mich aufrecht, der Gedanke an ein kühles Motelzimmer mit Bett. Bis zum gemeinsamen Pizzaessen mit Läufern und Begleitern schlafen wir uns aus, oder sagen wir fast.

… und einen Tag später wird Thomas mit einer Gruppe Amerikanern den Mount Whitney besteigen. Da sie mitten in der Nacht aufbrechen und mir mein Schlaf jetzt sehr wichtig ist , gehe ich nicht mit. „ Die hätten dich mit dem Hubschrauber runterholen müssen“ wird er später sagen, „es war nicht einfach“.

Aber er hat es geschafft, denn das Wort “Aufgeben“ kennt er nicht.

Die Strecke fahren wir auf dem Weg nach Las Vegas noch mal ab. An verschiedenen Punkten machen wir Rast und verinnerlichen uns das, was wir während der Veranstaltung nicht so recht genießen konnten.

Ich bin glücklich, dabeigewesen zu sein und verspüre eine Sehnsucht, wiederzukommen.. Übrigens, die Hölle war es nicht und: bangemachen gilt nicht.

Es gibt nur 3 wahre Gewinner:
Derjenige, der als erster das Ziel erreicht,
derjenige, der das Rennen zu Ende läuft
und derjenige, der sich selbst herausfordert.

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